Nachdem wir in Armenien eine eher kürzere Wanderung unternommen hatten, entschlossen wir uns, in Georgien eine mehrtägige Wanderung anzugehen.
Vorab ist zu sagen - wir beide sind keine regelmässigen Wanderer und wir sind auch nicht unter den Top 5 der geografischen Genies (mehrmaliges Verlaufen gehört bei uns zur Tagesordnung).
Nichts desto trotz, fanden wir es eine gute Idee.
Mehrere Tage lang haben wir uns in Blogs über die verschiedenen Wandergebiete in Georgien informiert, bis wir uns schliesslich für die beliebteste Wanderung von Mestia nach Ushguli entschieden.
Als wir schliesslich in Mestia ankamen - nach etwa 14 Stunden Autofahrt, haben wir bei einer Unterkunft nachgefragt, ob es möglich wäre, das Auto für die nächsten drei Tage bei ihnen stehen zu lassen.
Nachdem wir die Rezeption verlassen hatten, wussten wir ehrlich gesagt genau so viel wie vorher.
Wir verstanden kein Wort von dem, was diese freundlichen Herren uns mitteilten und umgekehrt war es sehr wahrscheinlich dasselbe.
Wir gingen also einfach davon aus, dass es in Ordnung ist.
Wir packten unsere Rucksäcke - Adriano den Grossen, um das Zelt mitnehmen zu können und ich den Kleinen.
Wir haben uns vorgenommen, während der Wanderung zu zelten, um so ein paar Kosten zu sparen.
Tag 1
Wir mussten erst noch das Dorf durchqueren, um auf den Wanderweg zu kommen.
„Da gehts lang!“, rief mir Adriano zu. Anhand eines Blogs hatten wir ziemlich exakte Angaben, wo der Weg entlang führt.
Haben wir schon mal erwähnt, dass wir Blogs lieben? Wir orientieren uns sehr oft an Blogs, sei es bei Städtetrips, Wanderungen, Ländern, etc.
Plötzlich standen wir mitten in der Natur! Keine lauten Menschen, keine chaotischen Strassen, kein luxuriöses Hotel - einfach nur Bäume, zwitschernde Vögel, gefühlte 10`000 Kühe, weite Grasfelder und wir.
Zuerst mussten wir ziemlich steil hoch wandern, bis wir oben mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt wurden. Wir sahen auf Mestia hinab, konnten erkennen von wo wir gestartet und wie weit wir bereits gekommen waren. Wir sahen in das wunderschöne Tal und genossen ein paar ruhige Atemzüge, bis die Wanderung weiterging.
Die Wanderung führte entlang des Berges, bis wir auf ein grosses Feld gelangten. Ein paar Kühe begleiteten uns, sie waren wohl hungrig. Die Wiese sah zumindest sehr saftig aus.
Wir entschieden uns auch für eine Pause, da wir klitschnass waren. Wir setzten uns auf die im Feld herumliegenden, grossen Steine. Auch dort hatten wir eine super Aussicht, diesmal jedoch auf die andere Seite des Berges. Man konnte ein paar Dörfer, einen Fluss und den Wanderweg sehen.
Nachdem wir uns etwas erholt hatten, ging die Wanderung weiter.
Wir stiessen zum ersten Mal auf andere Wanderer. Es war eine kleinere Gruppe.
Wir wanderten weiter dem Hang entlang und es ging etwas bergab, wir kamen dem Fluss und den Dörfern immer näher.
Schliesslich erreichten wir den Fluss und die erste Brücke, die über den Fluss führte. Ein kleines Zelt stand auf der Wiese und eine Festbank davor.
Die Wanderer, die wir vorhin trafen, sassen auf der Bank mit ein paar Männern, scheinbar Einheimische.
Sie schienen ziemlich betrunken zu sein und als sie uns entdeckten, standen sie sofort auf und luden uns auf ein Glas Wein ein. Wir verneinten freundlich. Ihre Reaktion:
"Why not?"
Ja, eigentlich eine gute Frage. Warum nicht?
Wir blieben trotzdem dabei, jetzt keinen Wein zu trinken.
Da wir mittlerweile ziemlich durchgeschwitzt und hungrig waren, entschieden wir uns dazu, uns doch um eine Unterkunft zu kümmern. Noch während des Wanderns buchten wir also unsere Unterkunft für diese Nacht. So wussten wir, dass wir im letzten Dorf, dessen Namen Zabeshi ist, übernachten werden. Wir liefen entlang des Flusses bis zu letzten Brücke, wo es anschliessend nach Zabeshi ging.
Eine alte Frau sass am anderen Ende der Brücke, sie wartete bereits auf uns.
Nachdem wir auf ihrer Höhe waren, fragte sie uns nach unserer Unterkunft.
Es schien, als wüsste sie sehr genau Bescheid über alle Unterkünfte in diesem Dorf.
Sie führte uns ein kleines Stück weiter nach oben, konnte jedoch wegen ihres Alters sehr schlecht gehen.
Wir hatten ein schlechtes Gewissen und beteuerten ihr mehrmals, dass wir die Unterkunft schon selbst finden werden. Sie liess aber nicht locker und begleitete uns.
An der letzten Kreuzung zeigte sie uns das Haus, zu dem wir gehen sollten. Wir bedankten uns.
Was für ein tolles kleines Dörfchen, dachten wir uns. Überall waren Tiere: Schweine, Kühe und Pferde teilten sich den Platz. Sie liefen einfach frei im ganzen Dorf herum. Einige lagen in der Wiese vis-a-vis von unserer angeblichen Unterkunft. Wir sahen kein einziges Auto dort. Die Menschen waren nur mit ihren Pferden unterwegs. Uns gefiel es sehr gut.
„Ja, hier ist sie!“, rief Adriano.
Es war ein kleines Haus mit Veranda, einem grossen Garten und einem weissen Metallzaun. Als wir das Grundstück betraten, begrüsste uns erstmal eine Gruppe deutscher Jungs, die es sich auf dem Sofa auf der Veranda bequem gemacht hatten.
Kurze Zeit später kam eine kleine, scheue Frau aus der Tür und begrüsste uns mit einem warmen, nickenden Lächeln.
Wir stellten fest, dass sie die Besitzerin ist.
Sie fragte uns nach einer Buchung. Nachdem wir ihr mit einem Nicken unsere Buchung bestätigten, begleitete sie uns zum Zimmer.
Wir spazierten durch einen wunderschönen Raum, der toll dekoriert war. Wir fühlten uns direkt sehr wohl, fast wie zuhause.
Unsere Rucksäcke waren ausgepackt und das Duschzeug bereit, um gebraucht zu werden. Natürlich mussten wir noch etwas geduldig sein. Es hatte nur eine Dusche und die Jungs, die bereits vor uns hier angekommen waren, wollten schliesslich auch duschen. Also setzten wir uns zu ihnen, nachdem wir uns beim Nachbarshotel zwei Bierchen geholt hatten.
Eine Stunde später kam eine weitere Gruppe an. Zwei Frauen und ein Mann. Die Besitzerin kam nervös aus der Tür gelaufen. Sie hatte ihr Telefon in der Hand und tippte unkontrolliert darauf herum. Sie sah uns an und verzog ihr Gesicht.
Ich schaute Adriano fragend an.
"Was ist los? Haben wir das falsche Zimmer?"
Die deutschen Jungs sagten uns, dass es scheinbar keine freien Zimmer mehr gäbe, wir hätten das Letzte bekommen.
Die Besitzerin fragte uns, um welche Zeit wir das Zimmer gebucht hätten.
Leider hatten sie an diesem Tag keinen Strom mehr und so gab es eine Überbuchung.
Auf einmal stand die alte Frau, die uns am Fluss empfangen hatte im Garten.
Die zwei Frauen unterhielten sich und wir alle standen um sie herum, verstanden kein einziges Wort und fragten uns, wie das Gespräch wohl ausgehe.
Nachdem die alte Frau der zuletzt angekommenen Gruppe mitteilte, was das Problem sei, mussten sie leider in eine andere Unterkunft. Glücklicherweise wusste die alte Frau, in welche Unterkunft sie gehen konnten und begleitete sie.
Wir stellten fest, dass die Frau sehr wahrscheinlich der "Bürgermeister" von Zabeshi ist.
Wenig später konnten wir duschen gehen und anschliessend gab es Nachtessen. Es wurde ein super Abend und das Nachtessen war sehr köstlich.
Tag 2
Wir stellten unsere Wecker um 08:00 Uhr. Um 09:00 Uhr sollte es Frühstück geben.
Wir packten unsere Rucksäcke und gingen nach draussen. Wir genossen die Luft, die Ruhe und natürlich die atemberaubende Aussicht. Die Unterkunft stand vor einem riesigen Berg. Wir konnten ein paar Ski-Lifte entdecken. Heute sollte die Wanderung durch ein Skigebiet führen.
Wir waren sehr gespannt darauf, aber wir wussten auch, dass wir diesen Berg hoch wandern mussten. Es sah extrem steil aus.
Aber zuerst einmal stärkten wir uns mit dem leckeren Frühstück, das unsere Gastgeberin für uns hin gezaubert hatte.
Es gab ein Esszimmer, in dem nur ein grosser Tisch und acht Stühle standen. Gegessen hatten wir zusammen an diesem grossen Tisch und so entstanden sehr interessante Gespräche.
Nachdem wir fertig gegessen hatten, machten wir uns noch frisch und anschliessend ging die Wanderung des zweiten Tages los. Die deutschen Jungs liefen bereits los und so wussten wir in welche Richtung wir laufen mussten.
Die Wanderung verlief über ein grosses Feld, auf dem Kühe und Pferde am Weiden waren. Ein paar Schweine wälzten sich in den kleinen, wenigen Pfützen, die sie fanden.
Wir blieben immer wieder stehen und mussten die Tiere beobachten.
Nachdem wir das Feld hinter uns gelassen hatten, ging es steil bergauf. Es war ein kleiner Wanderweg, der den Berg hoch führte. Nach ein paar Metern kamen uns Kühe entgegen und auf dem grossen Stein rechts vom Wanderweg sass ein mächtiger Hund. Er war sogar ein wenig angsteinflössend. Er hatte kupierte Ohren, einen kupierten Schwanz, war riesengross und sehr beeindruckend. Neben ihm sass sein Herrchen. Ein junger Mann, der wie es scheint, der Kuhhirte ist. Er sass stolz da, schaute uns an und begrüsste uns, indem er seine Mundwickel etwas nach oben zog. Wir grüssten zurück und mussten ihm natürlich mitteilen, wie beeindruckend wir sein Haustier fanden. Er fing an zu lachen und heftig zu nicken. Ja, er war sehr stolz auf seinen Hund.
Wir fanden später heraus, dass diese Hunde im Kaukasus gezüchtet werden. Die Kaukasischen Owtscharka. Es sind sehr beliebte Hunde in dieser Region und sie werden oft für die Bewachung der Viehherden oder des eigenen Grundstückes eingesetzt.
Unsere Wanderung führte uns weiter Richtung Skigebiet. Es ging richtig steil hoch und wir kamen extrem ins Schwitzen. Auf einmal bemerkten wir einen Hund, der uns verfolgte. Er hatte am Kopf die Farben eines Beagles und das Hinterteil war einfach weiss. Wir fragten uns, ob er den gesamten Weg von Zabeshi bis hier hoch geklettert war oder ob er vielleicht irgendwo hier oben wohnt. Wir liefen weiter, bis wir endlich beim ersten Skilift ankamen. Von dort oben hatte man wieder einmal mehr, einen atemberaubenden Ausblick über die georgische Bergwelt.
Jetzt ging der Weg entlang des Skigebietes weiter nach oben. Der Hund begleitete uns immer noch. Etwa zwei Kilometer weiter verliessen wir die Skipiste und der Weg führte rechts weg. Wir kamen an einen Wegweiser, auf dem bereits die nächste Ortschaft, Adishi, aufgeschrieben war. Wir folgten diesem und erreichten nach etwa fünf Minuten eine Holzhütte, die mit Shop und Bar angeschrieben war. Wir mussten schmunzeln, denn es stand alles leer und es lag mitten im Nirgendwo.
Der Weg führte entlang des Berges, über Bäche, durch Wälder und Felder. Wir genossen die Aussichten, die immer schöner wurden. Auf einmal hörten wir einen Donner. Die Wolken wurden immer dunkler. Es regnete noch nicht, aber wir hatten das Gefühl, es könnte jederzeit beginnen. Anhand der dunklen Wolken hatte man das Gefühl, es würde gleich stürmen und regnen wie aus Kübeln. Wir liefen immer schneller, wollten unbedingt trocken im nächsten Dorf ankommen.
Übrigens entschieden wir uns auch heute, eine Unterkunft zu buchen, da wir kein Essen mitgenommen hatten und es nur in den Unterkünften Essen gab. Wir buchten erneut während der Wanderung, was diesmal ein fataler Fehler war.
Endlich konnte man von Weitem das nächste Dorf sehen. Es waren jedoch noch etwa zwei bis drei Kilometer bis wir das Dorf erreichen würden. Es tröpfelte bereits ein wenig.
Unsere Schritte wurden immer grösser und schneller. Wir erreichten erneut einen Wegweiser, der nach unten zeigte und auf dem Adishi aufgeschrieben war.
"Ja, dahin müssen wir!"
Wir waren mittlerweile so schnell, dass wir schon fast den steilen, steinigen Weg runter liefen. Als wir die letzten Meter vor uns hatten, fing es richtig stark an zu regnen. Von Weitem konnte man eine Hütte sehen, die mit "Bar" beschildert war. Wir rannten so schnell wir konnten, um uns dort in Sicherheit zu bringen. Endlich angekommen, bestellten wir uns in der Bar ein kaltes Cola.
Mittlerweile waren wir nicht mehr die Einzigen, völlig durchnässt kam Einer nach dem Anderen in der Bar an.
Als der Regen aufhörte, machten wir uns auf den Weg zur Unterkunft. Es ging mitten durch das kleine Dörfchen. Der Boden war matschig und voll mit Kuhmist. Es brauchte definitiv sehr viel Konzentration, um nicht falsch aufzutreten.
Total erledigt bei der Unterkunft angekommen, herrschte dort das totale Chaos. Eine Gruppe Amerikaner war auch kurz vorher angekommen und da sie ihre Zimmer im oberen Stock hatten, mussten sie ihre Rucksäcke natürlich auch nach oben bringen. Die extrem steile Treppe machte es ihnen nicht einfach. Als sie endlich alle oben waren, fragten wir nach unserem Zimmer.
Leider war es so, dass das gesamte Dorf schon seit einigen Tagen keinen Strom mehr hatte und somit auch keinen Internetzugang. Bereits zum zweiten Mal gab es eine Überbuchung und so kam es, dass wir in der Stube einer georgischen Bauernfamilie sassen und nicht wussten, wo wir heute Nacht schlafen werden. Mit uns sassen noch drei Weitere in der selben Stube. Ein älterer Mann, der mit seiner Tochter auf der Wanderung war und eine Frau, die die Beiden auf der Wanderung kennen gelernt hatten. Scheinbar hatten sie dasselbe Zimmer wie wir gebucht. Glücklicherweise gab es im oberen Stock noch freie Betten, sodass wir uns alle verteilen konnten und jeder ein Bett für diese Nacht fand.
Wir wurden in der unteren Etage zugeteilt und durften noch nicht in unser Zimmer, die Besitzerin des Hauses meinte, es sei noch ein Kind am Schlafen.
Hmm, wir fragten uns, was das wohl für ein Zimmer ist. Es blieb besetzt bis nach dem Nachtessen. Eigentlich hätten wir uns auf eine Dusche und ein wenig Privatsphäre gefreut, aber so kamen wir der georgischen Bauernfamilie sehr nahe. Wir hatten die Chance, ihnen beim Kochen und allen Vorbereitungen zuzuschauen. Es war interessant, vor allem, da sie immer noch keinen Strom hatten und so alles ohne machen mussten. Für uns kaum vorstellbar.
Nachdem wir erneut mit einem extrem leckeren Nachtessen verwöhnt wurden, gab es noch ein Bierchen und anschliessend ging es für uns ab ins Bett. Der nächste Tag soll der anstrengendste der drei Tage werden. Wir waren gespannt.
Tag 3
Diesmal waren wir sehr früh wach. Ohne Wecker standen wir bereits um 7:00 Uhr im Garten unserer Gastfamilie. Die Aussicht, war unbeschreiblich schön. Wir genossen die Ruhe und liessen den Moment einfach auf uns wirken. Frühstück gab es erst um 9:00 Uhr.
Nachdem wir uns beim Frühstück mit Energie versorgt hatten, packten wir unser Lunch Packet ein, schnallten uns die Rucksäcke um (übrigens: Adriano trug noch immer die gesamte Campingausrüstung mit sich🙈) und machten uns auf den Weg zum letzten Teil der Wanderung.
Heute stand uns der strengste Tag bevor, etwa 14 Kilometer wandern und dabei etwa 800 Höhenmeter bezwingen.
Bevor wir losliefen, vergewisserten wir uns noch bei unsere Gastgeberin, ob denn auch jemand mit einem Pferd am Fluss auf uns warten wird. Es war nämlich so, dass in den letzten drei Tagen der Fluss in der Nähe dermassen gestiegen war, dass es unmöglich war, ihn zu Fuss zu überqueren. Deswegen mussten man ihn auf dem Rücken eines Pferdes bewältigen. "Das wird ein Abenteuer!", dachte ich mir.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir zum Glück noch keine Ahnung, was uns dieser Tag noch bringen wird.
Es war Zeit, uns von unserem vierbeinigen Freund zu verabschieden.
Der Hund, der mit uns mit gewandert war, kam aus Mestia. Wir erkundigten uns nach ihm und trafen dabei auf eine Gruppe, die ihn bereits in Mestia gesichtet hatte und mit denen er bis nach Zabeshi wanderte.
Wow, was für eine Leistung für so einen kleiner Vierbeiner.
Von Adishi aus musste man erstmal etwa fünf Kilometer dem Fluss entlang hoch wandern, um die Flussüberquerung zu erreichen.
Während diesen fünf Kilometern wurden wir immer wieder von reitenden Einheimischen überholt. "Welches Pferd wird uns wohl heil über den Fluss bringen?", fragten wir uns.
Als wir an der Flussüberquerung ankamen, sass ein Paar, welches in der gleichen Unterkunft war wie wir, auf zwei Steinen und sah uns fragend an. "Unser Pferd für die Überquerung ist noch nicht angekommen...", sagten sie uns. Wir fragten sie, wie lange sie schon warteten.
Seit etwa zehn Minuten seien sie hier. Es standen überall Pferde und Männer, die darauf warteten, Touristen über den Fluss zu bringen.
Heute Morgen in der Unterkunft sagte man uns, ein Pferd zu mieten, um damit den Fluss zu überqueren, koste etwa 10 Lari. Glücklicherweise hatten wir noch nicht bezahlt, denn unser Pferd kam nie an...
Wir entschieden uns also, mit einem Pferd, das bereits da war, den Fluss zu überqueren.
Es kostete uns das Doppelte, also 20 Lari pro Person.
Es machte grossen Spass, auf dem Rücken eines Pferdes den Fluss zu überqueren.
Zu Fuss hätte man in dieser Zeit keine Chance gehabt.
Adriano hatte sogar ein Pferd für sich und durfte ganz alleine damit den Fluss überqueren. Von Weitem sah es sehr ruckelig aus und wenn ich ehrlich bin, hatte ich etwas Angst um ihn.
Aber auch er schaffte es. Er kam ohne "Wasserschaden" auf der anderen Seite des Flusses an.
Nach der Flussüberquerung ging es den Berg hinauf. Es ging steil hinauf und wir liefen durch Schneefelder und hatten auch hier immer wieder eine atemberaubende Aussicht. Man hat immer wieder einen beeindruckenden Ausblick auf den Adishi Gletscher. Je höher man kommt, desto besser wird die Aussicht.
Dieser Teil war extrem steil und wir kamen so richtig ins Schwitzen. Immer wieder blieben wir stehen und mussten Pause machen. Aber als wir oben ankamen, wurden wir mit der besten 360 Grad Aussicht belohnt. Dort hatten wir den höchsten Punkt der gesamten Wanderung erreicht. Wir standen auf etwa 2700 Metern über Meer.
Dies war der perfekte Ort für eine Pause.
Wir assen unseren Lunch und genossen den kühlen Wind, der uns um die Ohren blies.
Danach ging es wieder bergab.
Unterwegs fanden wir noch eine Quelle, wo wir unsere Flaschen auffüllen konnten.
Anschliessend ging es dem Hügel entlang ins Tal.
Die Strecke zog sich extrem und es ging meistens einfach geradeaus - fast schon etwas langweilig. Da es in der letzten Nacht extrem stark geregnet hatte, trafen wir immer wieder auf kleinere und manchmal auch grössere Bäche, die teilweise den Weg, auf dem wir wanderten, weggeschwemmt hatten. Wir mussten manchmal auch etwas nach oben klettern, um einen Weg zu finden, den Bach zu überqueren.
Nach ein paar Überquerungen empfanden wir uns schon als Experten. Natürlich waren unsere Lowa Schuhe in diesem Terrain auch sehr vorteilhaft. Wir konnten damit durchs Wasser laufen und sie sind extrem rutschfest.
Es folgte einen weiteren Erdrutsch, der ziemlich heftig aussah. Es sah so aus, als ob viel Erde von oben runter geschwemmt worden wäre. Es war auch kein Bach oder Ähnliches erkennbar. Als ich ein paar Schritte auf dem Matsch machte, merkte ich, dass sich der Boden sehr weich anfühlte. Ich sagte Adriano, dass ich voraus gehe, da er die Kamera in der Hand hielt. Ein paar Schritte weiter, sank ich mit den Schuhen bereits etwas ein. Was nichts Neues war, die letzten Überschwemmungen, die wir überwältigen mussten, waren auch sehr schlammig.
Einen Schritt weiter war mein Schuh bedeckt mit Schlamm.
Ich dachte mir: "Sche...., da muss ich so schnell wie möglich raus!", holte mein rechtes Bein nach und zack... steckte ich hüfttief im Schlamm fest.
Ich versuchte mich irgendwie zu befreien, aber ich hatte keine Chance.
Je mehr ich mich bewegte, desto tiefer sank ich im Schlamm ein. Ich bekam Panik. Adriano war noch immer hinter mir. Er bemerkte meine Panik und kam näher zu mir. Aber je näher er kam, desto tiefer sank auch er ein. Ich sagte ihm, er solle weg bleiben.
Er suchte nach etwas, das er mir zuwerfen kann - ein Seil, Stock, oder irgendwas. Es war nichts zu finden. Er schaffte es auf die andere Seite des Erdrutsches.
Ich zog den Rucksack aus und warf ihn zu ihm, sodass ich etwas leichter war und so vielleicht irgendwie raus kommen könnte.
Keine Chance!
Mein rechtes Schienbein lag auf einem Stein, der unter dem Schlamm begraben lag. Ich dachte mir, vielleicht könnte ich mich damit rausheben, ich hatte jedoch zu wenig Kraft, ich fühlte mich tonnenschwer. Zudem kamen mit der Zeit noch Schmerzen. Der Stein drückte mir auf den Knochen.
Adriano versuchte mich zu beruhigen, versuchte währenddessen eine Lösung zu finden.
Auf einmal hörten wir von hinten eine Männerstimme. Ein Einheimischer stand hinter uns mit seinem Pferd. Er schüttelte den Kopf und rief: "NO, NO,NO!". Er zeigte mir mit Händen und Füssen, dass ich mich nicht bewegen sondern auf ihn warten soll. Er kletterte mit dem Pferd ziemlich hoch und überwältigte so den Erdrutsch ohne Probleme. Als er bei Adriano ankam, drückte er ihm die Zügel des Pferdes in die Hände, zog Schuhe und Socken aus, krempelte die Hosen hoch und kam mir entgegen. Er versank mit jedem Schritt mehr im Schlamm, bis er schlussendlich auch knietief versunken vor mir stand.
Er streckte mir seine Arme entgegen, ich ihm meine und schliesslich zog er mich wie ein Gorilla aus dem Schlamm. Ich konnte mich noch mit dem rechten Bein am Stein abstossen und so hatte ich kurze Zeit später wieder festen Boden unter den Füssen. "Mein Held!", sagte ich zu dem Einheimischen. Ich war so erleichtert, dass ich direkt Tränen in den Augen hatte.
Ich bedankte mich tausendmal bei dem Mann - er sei mein Lebensretter, sagte ich ihm. Er verstand kein Wort, lächelte nur sehr erleichtert und zeigte mir den Weg zu einem Bach in der Nähe.
Jetzt begriff ich erst, wie ich aussah. Von der Hüfte abwärts war ich voll mit Schlamm bedeckt. Meine Schuhe gefüllt mit Schlamm, die schwarzen Leggings waren nicht mehr sichtbar und meine beige Strickjacke war auch nicht mehr beige. Alles war braun!
Am Bach angekommen, trafen wir auf drei weitere Wanderer. Zwei Jungs und ein junge Frau, der gerade das gleiche Schicksal passiert war wie mir. Sie war gerade daran, ihre Kleider zu waschen.
Wir mussten schmunzeln. Ja, im Nachhinein kann man über solche Situationen immer lachen.
Während ich mich wusch, ging Adriano wieder zurück zum Erdrutsch, um die weiteren Wanderer zu warnen und ihnen zu zeigen, wo sie am besten durch den Erdrutsch kommen.
Alles war nass und meine Schuhe gefüllt mit einem Wasser-Schlammgemisch. Bei Adriano dasselbe. Das Wandern damit war sehr anstrengend.
Zum Glück hatten wir nur noch einige Kilometer vor uns.
Wir trafen im fast verlassenen Dorf Khalde ein. Wir gönnten uns in der ortseigenen Wirtschaft ein Bier und erholten uns vom Schock.
Die Sonne schien uns ins Gesicht und wir liessen uns von dem leichten Wind trocknen.
Ab hier waren es nur noch etwa zwei Kilometer bis nach Iprari. Wir fragen bei der Familie nach, ob es möglich ist, uns zum nächsten Dorf zu fahren. Da alles nass war und wir bereits mehrere Blasen an den Füssen hatten, wollten wir uns nur noch in einer Unterkunft ins Bett legen. Leider war es nicht möglich, da der starke Regen die Strasse unbefahrbar machte.
Also mussten wie die letzten Kilometer doch noch zu Fuss bewältigen. Es war jedoch halb so schlimm. Nach etwa 30 Minuten kamen wir bereits in Iprari an.
Wir folgten der Beschilderung "Family Hotel", bis wir schlussendlich vor dem Haus standen. Es sah sehr schön aus und wir wurden freundlich begrüsst.
Diesmal hatten wir nichts gebucht, da wir nicht wussten, ob wir am selben Tag noch nach Ushguli fahren würden, in Iprari übernachten oder sogar zurück nach Mestia gehen würden.
Also fragten wir bei der Unterkunft nach, wieviel denn eine Übernachtung kosten würde.
Leider war es so, dass wir uns nicht optimal vorbereitet hatten. Wir hatten zu dieser Zeit nicht mehr viel Bargeld dabei, es gab natürlich auch keinen Bankomat dort oben und man konnte auch nicht mit der Kreditkarte zahlen.
Wir hatten also nicht mehr genug Geld für eine Unterkunft und auch nicht genug um nach Ushguli gefahren zu werden. Die einzige Möglichkeit war, nach Mestia zu fahren, denn da gab es wieder einen Bankomaten, an dem wir das Geld für die Fahrt abheben könnten.
Glücklicherweise kam gerade eine weitere Gruppe beim Gästehaus an, die auch nach Mestia wollte. Also konnten wir uns zusammen tun und etwas Geld sparen. Es war zwar eng im Auto, aber lustig. Wir waren sechs Personen, mit dem Fahrer sieben und mussten zusammen gequetscht etwa eine Stunde bis nach Mestia fahren. Es war eine sehr interessante Fahrt. Wir fuhren entlang des viel zu überfüllten Flusses, der schien, als würde er uns jeden Moment mitreissen.
"Hier scheint die Natur zu regieren...", dachte ich mir. Diese Familien, die hier oben wohnen, wie oft sind sie abgeschnitten vom Rest der Welt? Das ist einfach nur eine starke Leistung, was die hier vollbringen und wir Touristen bekommen irgendwie gar nicht soviel davon mit. Bereits im zweiten Dorf hatten sie keinen Strom mehr seit Tagen und dorthin führt keine einzige Strasse. Sie sind also total auf sich selbst gestellt und vollbringen noch Wunder, indem sie Touristen bekochen und unterbringen. Einfach nur beeindruckend!
In Mestia angekommen, liessen wir die Rucksäcke am Boden stehen und setzten uns auf eine Bank. Sehr wahrscheinlich sahen wir total geschlissen aus und genau so fühlten wir uns auch. Wir entschieden uns, noch zwei Nächte in Mestia zu bleiben. Da uns mehrere Personen auf der Wanderung bereits gesagt hatten, dass es sich lohne, sich Mestia anzuschauen.
Wir fanden eine sehr günstige Unterkunft, in der wir auch unsere gesamte Ausrüstung trocknen lassen konnten.
Da ich fast nicht mehr gehen konnte (alle Blasen waren mittlerweile offen), lief Adriano alleine zur Unterkunft, wo wir unser Auto abgestellt hatten.
Einige Minuten später kam er mit dem Auto angefahren. Wir luden unsere Rucksäcke ein und fuhren zur gebuchten Unterkunft.
Nachdem wir dort alles ausgepackt und zum Trockenen aufgehängt hatten, gab es noch ein feines Nachtessen und danach fielen wir total übermüdet ins Bett und schliefen sofort ein.
Fazit der Wanderung
Die Wanderung ist unser TOP Highlight in Georgien. Wir haben so viele tolle Menschen kennengelernt und sind über unsere eigenen Grenzen hinausgewachsen.
Die Wanderung würden wir jedem, der Georgien bereist und etwas Zeit hat, empfehlen. Die Landschaft ist atemberaubend, die Menschen super freundlich und es ist sehr interessant, diese Familien in ihrer Abgeschiedenheit zu erleben. Wie sie leben und arbeiten ist sehr beeindruckend.
Es ist auch überhaupt kein Problem, alleine zu wandern. Meistens trifft man, wenn nicht schon während der Wanderung am ersten Tag, dann spätestens am Abend in einer Unterkunft in Zhabeshi, auf andere Wanderer, denen man sich anschliessen kann.
Das war das Beste an der gesamten Wanderung - wir sind immer wieder auf die selben Personen gestossen und mit der Zeit sind richtige Freundschaften entstanden - das in nur DREI Tagen.
Hier noch der Vlog zur Wanderung: